Von Jessica Wernhart (Marketing Consultant)
Die Welt des Online Contents hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Was einst als einfaches Teilen von Fotos und Momenten begann, hat sich zu einer florierenden Industrie entwickelt, die als “Creator Economy” bekannt ist. Diese faszinierende Entwicklung hat die Marketingwelt stark geprägt und neu definiert, und bietet eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten weltweit. Lass uns auf eine Reise entlang der Entwicklung dieser neuen Branche gehen, die erst vor kurzem ihren Weg in den Mainstream gefunden hat.
Die Evolution der Creator Economy
Im Jahr 2012 war die Social-Media-Landschaft ein völlig anderer Ort als heutzutage. Instagram war gerade erst im Kommen, und das Teilen von Bildern mit Filtern wie Early Bird oder Valencia war der Höhepunkt des Social-Media-Erlebnisses. Videos waren überwiegend auf Plattformen wie YouTube zu finden, aber Kurzvideos, ähnlich wie heute auf TikTok, waren kaum verbreitet. Die Idee, als “Influencer:in” Geld zu verdienen, war noch in den Kinderschuhen, und diejenigen, die es taten, verdienten hauptsächlich durch die Bewerbung von Produkten wie Detox-Tees oder Beauty-Produkten ein kleines Einkommen. Es war eine Zeit, in der der Begriff “Creator Economy” noch nicht einmal in den Köpfen der Menschen existierte, und die Möglichkeiten für Kreative, online Geld zu verdienen, waren begrenzt und oft ungewiss.
Seit diesen Anfängen hat sich die Creator Economy drastisch weiterentwickelt und ihre Evolution hat einen bemerkenswerten Einfluss auf die digitale Landschaft ausgeübt. Neue Plattformen sind entstanden, während andere in der sich ständig verändernden digitalen Welt verschwunden sind. Doch das Wesen der Kreativität und des Einflusses hat sich entscheidend verändert. Influencer:innen haben gelernt, dass ihre Reichweite und ihr Einfluss weit über das simple Bewerben von Produkten hinausgehen. Sie sind zu Storytellern, Trendsetterinnen und sogar zu Meinungsführenden geworden, die eine treue und engagierte Community um sich herum aufgebaut haben. Marken haben erkannt, dass Influencer-Marketing ein wesentlicher Bestandteil ihrer Marketingstrategien sein darf, und die Ausgaben für Influencer-Marketing sind exponentiell gestiegen. Sie haben erkannt, dass diese Form des Marketings eine einzigartige Möglichkeit bietet, ihre Zielgruppe auf eine persönliche und authentische Weise anzusprechen. Influencer:innen werden nicht mehr nur als Mittel zum Zweck betrachtet, um Produkte zu bewerben, sondern als Partner, die eine einzigartige Stimme und Perspektive in die Marketingbemühungen einer Marke einbringen können.
Im Jahr 2023 belief sich das globale Budget für Influencer-Marketing auf satte 30 Milliarden US-Dollar, ein Anstieg von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr¹. Diese beeindruckende Zunahme verdeutlicht die wachsende wirtschaftliche Bedeutung und Wirksamkeit von Influencer-Marketing. In Deutschland allein haben Marken über 702 Millionen US-Dollar für Influencer-Marketing ausgegeben¹, was ein erhebliches Wachstum der Branche ausmacht und sich dadurch die Position als zentraler Bestandteil moderner Marketingstrategien weiter festigt.
Herausforderungen und neue Ansätze
Trotz dieser scheinbaren Erfolge gibt es Herausforderungen für die Creator Economy. Eine Studie von McKinsey² aus dem Jahr 2024 zeigt, dass 68 Prozent der Konsument:innen unzufrieden und überfordert sind mit dem übermäßigen Volumen an gesponserten Posts und Inhalten, die sie täglich auf Social Media sehen. Diese “Werbemüdigkeit” führt dazu, dass die Wirksamkeit von Influencer-Marketing abnimmt, da Konsument:innen zunehmend immun gegenüber offensichtlichen Werbebotschaften werden und nach authentischeren Verbindungen suchen. Besonders besorgniserregend ist, dass die Aufmerksamkeitsspanne der jüngeren Generation, die eine Schlüsselzielgruppe für viele Marken ist, bei nur noch 1,3 Sekunden liegt. Dies stellt eine immense Herausforderung dar, da es für Marken schwieriger wird, die Aufmerksamkeit und das Interesse dieser Zielgruppe aufrechtzuerhalten bzw. überhaupt zu gewinnen.
Dies führt zu einem Dilemma, in dem Marken weiterhin bereit sind hohe Summen für Influencer-Marketing auszugeben, während Konsument:innen zunehmend müde werden und sich von Influencer:innen distanzieren. Diese Entwicklung stellt eine Herausforderung für die Zukunft des Influencer-Marketings dar und erfordert neue Ansätze, um die sich ändernden Bedürfnisse und Erwartungen der Verbraucher:innen zu erfüllen. Eine mögliche Lösung besteht darin, dass Marken und Influencer:innen stärker auf Authentizität und Relevanz, anstatt übermäßige Werbung zu setzen. Der Fokus sollte darauf liegen, echte Verbindungen mit den Follower:innen aufzubauen und wertvolle Inhalte zu liefern, die über bloße Werbebotschaften hinausgehen.
In dieser sich wandelnden Landschaft haben sich auch die Akteure der Creator Economy diversifiziert. Klassische Influencer:innen haben eigene Geschäftsmodelle entwickelt, Corporate Influencer:innen unterstützen ihre Arbeitgeber im HR-Bereich, und eine neue Generation von “Sinnfluencern” konzentriert sich auf soziale und ökologische Themen. Diese Sinnfluencer:innen nutzen ihre Reichweite und Plattformen, um wichtige Botschaften zu verbreiten und positive Veränderungen in der Gesellschaft voranzutreiben. Anders als die klassischen Influencer:innen wollen Sinnfluencer:innen ihre Reichweite nutzen, um Inhalte transparent und authentisch darzulegen, und streben danach, echte Werte zu vermitteln, anstatt lediglich Produkte zu bewerben. Diese Entwicklung zeigt, dass die Creator Economy nicht nur eine kommerzielle Wirtschaftsform ist, sondern auch ein Raum für soziale Verantwortung und positive Veränderungen in der Welt.
Es ist klar, dass die Zukunft der Creator Economy von Innovation und Anpassungsfähigkeit geprägt ist. Marken müssen bereit sein, neue Wege der Zusammenarbeit mit Creators zu erkunden, und Creators müssen sich weiterentwickeln, um den sich wandelnden Bedürfnissen ihrer Community gerecht zu werden. Dies könnte bedeuten, dass traditionelle Werbemodelle überdacht und neue Formen der Partnerschaft entwickelt werden müssen, die auf langfristigen Beziehungen und gegenseitigem Nutzen basieren. Dies erfordert nicht nur Kreativität und Originalität, sondern auch ein tiefes Verständnis der Zielgruppe und deren Interessen.
Die Creator Economy ist zweifellos eine aufregende und dynamische Branche, und während sie weiterhin wächst und sich entwickelt, werden wir sicherlich weitere spannende Entwicklungen bezeugen. Es ist an der Zeit, sich auf eine Zukunft vorzubereiten, in der Creators eine immer größere Rolle in unserem digitalen Leben spielen.
Die Bedeutung der Community
Der Aufbau einer engagierten Community, insbesondere für Marken, ist heutzutage eine anspruchsvolle Aufgabe. In der Ära der Creator Economy wird dies jedoch zu einer essenziellen Herausforderung, die den Erfolg und die Relevanz einer Marke maßgeblich beeinflussen kann. Ein Rückblick in die Historie zeigt den starken Wandel im Design der Social Media Feeds. Früher dominierten Inhalte von abonnierten Personen den Feed, heute überwiegen Vorschläge von viralen Videos und Ads, die von Algorithmen basierend auf individuellen Vorlieben ausgewählt werden. Diese Verschiebung hat dazu geführt, dass die organische Reichweite für Markeninhalte sinkt, während bezahlte Werbung und virale Inhalte mehr Aufmerksamkeit erhalten.
Die Entwicklung geht weiter in Richtung AI-generierter Inhalte, die kaum von menschlichen Ersteller:innen zu unterscheiden sind. Es wird immer wichtiger, eine treue Community aufzubauen, da der Algorithmus sich zunehmend auf den Inhalt konzentriert, anstatt auf die Person, die ihn erstellt hat. Eine engagierte Community kann dazu beitragen, die organische Reichweite zu erhöhen und die Interaktionen mit den Inhalten zu steigern, was wiederum zu einer höheren Sichtbarkeit und Relevanz führt.
Die Einbeziehung der Community in die Content-Strategie wird immer entscheidender, da sie eine direkte Möglichkeit bietet, die Bedürfnisse und Wünsche der Zielgruppe zu verstehen und darauf einzugehen. Dies beinhaltet die Schaffung von Mehrwert, aktive Beteiligung der Community durch bspw. Fragensticker, regelmäßige Live-Events und eine klare Wiedererkennung der eigenen Inhalte. Eine persönliche Bindung zur Community kann als Schutz vor möglichen Shitstorms dienen, da loyale Anhänger eher geneigt sind, den Creator oder die Marke zu verteidigen und negative Kommentare zu relativieren. Durch den Aufbau einer starken und engagierten Community können potenzielle Krisen besser bewältigt und Schäden minimiert werden.
Es ist absehbar, dass sich die Kommunikation zunehmend in geschlossene Gesellschaften zurückzieht, während die Tonalität der öffentlichen Diskussionen extremisiert. Dieser Trend wird durch die Einführung geschlossener Kommunikationskanäle durch große Tech-Unternehmen verstärkt, die es den Nutzer:innen ermöglichen, sich in sicheren und privaten Umgebungen auszutauschen. In dieser neuen Landschaft werden persönliche Beziehungen und die Stärkung von Communities eine noch größere Bedeutung haben, um eine authentische und vertrauensvolle Kommunikation aufrechtzuerhalten.
Die zunehmende Verwendung von KI in der Content-Erstellung wirft Fragen nach der Zukunft der Creator Economy auf. Es ist jedoch davon auszugehen, dass KI zwar Trends beeinflussen kann, aber menschliche Kreativität und Authentizität weiterhin unersetzlich sind³. Die Zukunft der Creator Economy wird daher wahrscheinlich eine Mischung aus menschlicher Kreativität und technologischer Unterstützung sein, wobei beide Komponenten synergetisch zusammenwirken, um innovative und relevante Inhalte zu schaffen.
Regulierung und Professionalisierung
In Bezug auf rechtliche Aspekte wird erwartet, dass die Regulierung für Influencer:innen zunehmen wird. Aktuelle Fälle von unlauterem Wettbewerb und mangelnder Werbekennzeichnung verdeutlichen die Notwendigkeit einer Professionalisierung der Creator Economy. Es wird erwartet, dass Regierungen und Aufsichtsbehörden Maßnahmen ergreifen werden, um Transparenz und Verantwortlichkeit zu fördern, und das Vertrauen der Verbraucher:innen zu stärken und die Integrität der Branche zu wahren. Dies könnte dazu führen, dass Influencer:innen und Marken strengere Richtlinien einhalten müssen, was sich wiederum auf die Art und Weise auswirken könnte, wie Inhalte erstellt, veröffentlicht und vermarktet werden. Letztendlich wird eine professionellere und transparentere Creator Economy dazu beitragen, langfristig Vertrauen aufzubauen und das Wachstum der Branche nachhaltig zu unterstützen.
Corporate Influencing und Business Influencing als Top-Trends für 2024
Corporate Influencing und Business Influencing werden als Top-Trends für 2024 identifiziert⁴. Die Integration von Mitarbeitenden als Corporate Influencer:in wird immer wichtiger für Unternehmen, um authentisch und transparent mit ihrer Zielgruppe zu kommunizieren. Durch die Nutzung der persönlichen Marken und Fachkompetenz ihrer Mitarbeitenden können Unternehmen eine direktere Verbindung zu ihren Kund:innen aufbauen und das Vertrauen in ihre Marke stärken. Dieser Ansatz ermöglicht es Unternehmen, menschlicher und zugänglicher zu wirken und gleichzeitig die Glaubwürdigkeit zu erhöhen.
Es wird erwartet, dass sich diese Trends auf verschiedenen Plattformen manifestieren, wobei LinkedIn als besonders vielversprechend für Corporate Influencing gilt. Unternehmen werden dazu ermutigt, Social-Media-Richtlinien festzulegen und ihre Mitarbeitenden entsprechend zu schulen, um die neuen Anforderungen der Influencer-Ökonomie zu erfüllen.
Insgesamt werden sich die Dynamiken der Creator Economy weiterentwickeln, wobei der Aufbau einer loyalen Community und die Professionalisierung der Branche zentrale Themen bleiben. Die zunehmende Integration von Corporate Influencer:innen und die Fokussierung auf Business Influencing zeigen, dass Unternehmen zunehmend die Möglichkeiten der Creator Economy erkennen und nutzen, um ihre Markenbotschaften zu verbreiten und mit ihrer Zielgruppe in Kontakt zu treten. Es wird erwartet, dass diese Trends in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und die Art und Weise, wie Unternehmen und Marken mit ihrer Community interagieren, grundlegend verändern werden.
Referenzen:
¹: New Business
²: McKinsey
³: Onlinemarketing
⁴: Onlinemarketing
Head of Social Media Advertising