Von Daniela Pastere (Head of Social Media Advertising), Johanna Netolitzky (Marketing Consultant), Niklas Kolell (Marketing Consultant), Alena Vikhareva (Trainee Accountmanagement) & Katharina Kockelmann (Marketing Consultant)
Was erwartet uns im Jahr 2024? Es kommen ohne Zweifel viele neue Features, Themen und Trends auf uns zu. Und vielleicht werden auch neue Plattformen hinzukommen. Die Relevanz von Videoinhalten wird weiter zunehmen, und authentische, nicht perfekt gestaltete Inhalte werden relevanter sein denn je. Auch im Bereich des Messenger Marketings erwarten wir mehr Bewegung. Natürlich gibt es schon absehbare Herausforderungen in diesem Jahr: Zum einen der Wegfall von Third-Party-Cookies im zweiten Halbjahr und zum anderen die diversen Einschränkungen im Targeting nach der Einführung neuer EU-Richtlinien zu digitalen Dienstleistungen. Diese Themen und ihre Bedeutung für Werbetreibende haben wir genauer unter die Lupe genommen:
1. Weiterentwicklung von Videoinhalten und die Zukunft von TikTok
TikTok etabliert sich zunehmend als dominante Kraft unter den Social-Media-Plattformen und gewinnt kontinuierlich an Relevanz. Laut Prognosen wird TikTok bis Q1 2024 ein Wachstum der Nutzer:innenbasis um 8 Prozent verzeichnen, was einen Anstieg auf 900 Millionen Nutzer:innen weltweit bedeutet. Die Plattform nimmt darüber hinaus kontinuierlich an Bedeutung als Werbeplattform zu. Die Zahl der Unternehmen, die Werbung auf TikTok schalten, ist von 2022 auf 2023 um 16 Prozent gestiegen – ein signifikantes Wachstum im Vergleich zu anderen Social-Media-Plattformen. Auch im Hinblick auf die Zeit, die auf den jeweiligen Plattformen pro Monat verbracht wird, ist TikTok ein absoluter Gewinner: Mehr als 31 Stunden verbringen User im Schnitt auf dem Kanal. Auf den nachfolgenden Plätzen reihen sich YouTube mit etwas über 27 Stunden und Facebook mit 18 Stunden ein.
Als wegweisende Kraft im Bereich der Videoformate wird TikTok auch weiterhin die Videotrends für 2024 beeinflussen. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem authentischer Content, der sowohl zur Plattform als auch zum Unternehmen passt und User dazu einlädt, mit dem Content zu interagieren. Dabei spielen vor allem Kurzvideoformate eine große Rolle. Neben TikTok sind das auf YouTube die Shorts-Formate und Reels auf Instagram. Studien belegen, dass User im Durchschnitt lediglich 1,7 Sekunden lang Inhalte ansehen. Und auch laut dem Social Media Trendreport von HubSpot und Meltwater geben 80 Prozent der befragten Werbetreibenden an, dass Kurzvideos besser als anderer Content funktionieren und einen höheren ROI erzielen.
Entgegen diesem Trend strebt TikTok nun seit Ende 2023 danach, längere Inhalte stärker zu fördern. Erste Tests für Videos mit einer Dauer von bis zu 15 Minuten sind bereits im Gange. Es wird sich 2024 zeigen, ob dies eine wegweisende Veränderung ist, die auch andere Plattformen und die ganze Social Media Landschaft beeinflusst. TikTok ist auf jeden Fall ein wichtiger Kanal, den Unternehmen nicht unterschätzen sollten.
2. Die Bedeutung von Raw Content im Social Media Marketing
Ein Baustein, der das Advertising im Jahr 2024 noch stärker beeinflussen wird, ist der Einsatz von „Raw Content“. Raw Content kann für zukünftige Werbekampagnen eine Schlüsselrolle für erfolgreiche Ads spielen.
Raw Content ist der Gegenentwurf zu hochpolierten, perfekt inszenierten Werbeinhalten. Es handelt sich dabei um authentische, nicht perfektionistisch bearbeitete Inhalte, die eine rohe und echte Atmosphäre einfangen. In einer Phase, in der wir Konsument:innen vermehrt nach Authentizität suchen, erweist sich Raw Content als ein mächtiges Instrument, um die gewünschten Zielgruppen einer Brand anzusprechen.
Der Trend zu Raw Content zeigt sich bereits jetzt auf Plattformen wie TikTok, wo spontane, ungeschönte Momente oft die größte Resonanz und somit auch Engagement innerhalb der Community erzielen. Gerade die junge Generation schätzt Echtheit und Offenheit, und das wird sich auch in den kommenden Jahren nicht grundsätzlich ändern. Unternehmen, die diese Authentizität in ihren Social Ads integrieren, haben die Chance, eine tiefere emotionale Bindung zu ihren Kund:innen aufzubauen.
Auch auf Meta gewinnt der Einsatz von Raw Content zunehmend an Bedeutung. Die Plattform priorisiert vermehrt persönliche Interaktionen und echte Erlebnisse gegenüber eher gestellten Bildern. Auch hier gilt ganz besonders: Unternehmen, die dies berücksichtigen und auf Raw Content setzen, werden in der Lage sein, die organische Reichweite ihrer Anzeigen zu steigern. Diese spielt neben der Paid-Performance eine ausschlaggebende Rolle, wenn es darum geht, Werbeanzeigen nach ihrer Relevanz einzustufen.
Snapchat und Pinterest, Plattformen, die ebenfalls visuellen Content priorisieren, bieten dabei optimale Umgebungen für Raw Content. Hier können Unternehmen durch authentische Geschichten und ungefilterte Einblicke in ihre Markenwelt punkten. Nutzer:innen suchen hier nach mehr als nur nach Produkten – sie wollen Teil einer Geschichte werden.
Die Bedeutung von Raw Content im Advertising im Jahr 2024 geht sogar über die reine Authentizität hinaus. Algorithmen auf Plattformen wie TikTok bevorzugen oft spontane, nicht perfekt gestaltete Inhalte. Sie fallen aus dem klassischen Muster der Hochglanz-Werbung heraus und fallen gar nicht erst als solche auf. Durch den Einsatz von Raw Content können Werbetreibende also nicht nur eine authentische Verbindung zu ihrer Zielgruppe herstellen, sondern auch die Sichtbarkeit ihrer Anzeigen maximieren. Da insbesondere die Aufmerksamkeitsspanne der Nützer:innen stetig abnimmt, wird Raw Content zu einem entscheidenden Werkzeug im Social Media Marketing sein. Die Einfachheit und Authentizität solcher Inhalte erzeugen eine unmittelbare Wirkung und bleiben im Gedächtnis der Nutzer:innen haften.
3. Großes Potenzial von WhatsApp als Marketing-Kanal
Mit mehr als zwei Milliarden Nutzer:innen weltweit ist WhatsApp zweifellos die größte Messaging-App. Trotz dieser beeindruckenden Reichweite spielte die Plattform bisher bei Unternehmen noch eine vergleichsweise kleine Rolle. Mit der Einführung des neuen Features “Kanäle” Ende letzten Jahres wurde WhatsApp als Marketing-Plattform deutlich attraktiver für Marken.
Durch das Abonnieren eines Kanals erteilen Nutzer:innen dem Absender die Erlaubnis, Nachrichten versenden zu dürfen. Eine Besonderheit ist, dass dafür keine persönlichen Daten der Abonnenten:innen, wie etwa Telefonnummer, benötigt werden. Die Nachrichten können Texte, Bilder, Videos, Sticker und Links enthalten. Obwohl die Empfänger:innen nicht direkt auf die Nachrichten antworten können, besteht die Möglichkeit, durch Emojis darauf zu reagieren. Diese Funktion ist nicht neu für Meta, da bereits zu Beginn des letzten Jahres das Feature “Broadcast Channels” auf Instagram eingeführt wurde, das WhatsApp-Kanälen ähnelt.
Die Financial Times berichtete kürzlich, dass Meta erwäge, auch innerhalb von WhatsApp Werbung auszuspielen. Im Gegensatz zu anderen Social-Media-Plattformen bietet WhatsApp jedoch noch keine Möglichkeit, Werbung in der App zu schalten. Genau dieser Unterschied macht das neue Feature so attraktiv für Marken, da es hier keine Ablenkungen durch Werbung gibt.
Obwohl WhatsApp keine direkten Werbemöglichkeiten bietet, können Anzeigen auf Facebook oder Instagram geschaltet werden, mit sogenannten “Click to Message”-Ads, bei denen nach dem Klick direkt zur Messaging-App verlinkt wird. Der Jahresumsatz für diese Anzeigen beläuft sich auf beeindruckende zehn Milliarden US-Dollar.
Welche Möglichkeiten gibt es, WhatsApp-Marketing zu betreiben? Unternehmen können aktiv mit Nutzer:innen kommunizieren, um Support zu bieten, proaktiv Angebote teilen oder gezielte Werbung über andere Meta-Plattformen schalten, die Nutzer:innen direkt zu einem WhatsApp-Chat führt.
Bei der Umsetzung von WhatsApp-Marketing müssen Unternehmen jedoch zunächst entscheiden, ob sie die WhatsApp Business App verwenden oder externe Tools nutzen möchten, welche einige zusätzliche Funktionen anbieten, um das Verwalten der Nachrichten einfacher zu gestalten.
4. Cookieless future is now!
Bereits Ende 2020 hatte Google das Ende der Third-Party-Cookies für die eigenen Dienste angekündigt; nach mehr als einer Fristverlängerung geht es im kommenden Jahr 2024 tatsächlich los. Doch was genau bedeutet dies für Nutzer:innen, Plattformen und Werbetreibende?
Die gute Nachricht für Nutzer:innen vorweg: Die anstehenden Änderungen und das Ende der Third-Party-Cookies bringt vor allem Plattformbetreiber und Werbetreibende um den Schlaf. Das Ende dieser Ära soll User und dem Schutz der eigenen Nutzer:innendaten zugutekommen: Das unbemerkte Sammeln von Daten soll auf diese Weise unterbunden werden.
Doch was genau bedeutet es, wenn Google in 2024 Third-Party-Cookies nicht mehr zulässt? Diese Art der Cookies liefern bisher vor allem Werbetreibenden eine große Menge wichtiger Daten und werden präferiert genutzt, um Werbung effektiver auszuspielen und für die Zielgruppe relevantere Maßnahmen abzustimmen. In Folge lassen sich so bisher beispielsweise Conversions in Form von Käufen optimieren bzw. steigern. Aus diesem Grund suchen Plattformbetreiber und Werbetreibende schon längst nach Alternativen zu Third-Party-Cookies.
Google entwickelt mit der „Privacy Sandbox“ aktuell verschiedene Datenschutz-Technologien, um Nutzer:innendaten zu schützen und gleichzeitig Werbetreibenden auch weiterhin das passgenaue Ausspielen von Anzeigen zu ermöglichen. Parallel dazu entwickeln im Paid Social Universum sämtliche Vermarkter eigene Conversions-API-Lösungen, um auch weiterhin ein personalisiertes Werben auf Basis von On- und Offlinedaten zu ermöglichen.
Die aktuelle Crux: Nach aktuellem Stand gibt es im Bereich Paid Social keine Lösung für alle Plattformen. Entsprechend steht vor Beginn von Werbemaßnahmen die Etablierung der jeweiligen Conversions API.
Unser Fazit: Cookieless future is now! Auch wenn die geplanten Änderungen aktuell noch Kopfzerbrechen bereiten, ist Datenschutz richtig und wichtig. Mit der Google Sandbox oder aber spezifischen Conversions API sind aktuell zwei vielversprechende Alternativen genannt, die auch zukünftig die Ausspielung personalisierter Werbung ermöglichen. Trotz aller Vorbereitung ist mit der Umstellung in 2024 mit zusätzlichen initialen Beratungs- bzw. Setup-Aufwänden zu rechnen: Hier ist es unbedingt notwendig, bisherige Kampagnenstrukturen auf die neu geschaffenen Möglichkeiten abzustimmen.
5. Weitere Einschränkungen für personenbezogene Werbung auf Social-Media-Plattformen
Eine der herausstechenden Besonderheiten von Werbung auf Social-Media-Plattformen sind die Nutzer:innendaten: Bei der Registrierung und im Laufe der Nutzung werden Daten über Nutzer:innen gesammelt, welche anschließend für das Targeting von Werbemaßnahmen verwendet werden können. Es gab schon in den letzten Jahren gewisse Einschränkungen für bestimmte Kategorien, zum Beispiel Jobanzeigen, Immobilien oder politische Werbung. Im Jahr 2023 kamen zahlreiche neue Begrenzungen im Targeting hinzu, die vor allem auf die neuen EU-Gesetze zurückzuführen sind. Als Folge wurde es schwieriger, personalisierte Anzeigen an bestimmte Zielgruppen wie z. B. Nutzer:innen unter 18 Jahren auszuliefern. Das Thema wird Werbetreibende auch im Jahr 2024 beschäftigen.
Ab dem 17. Februar 2024 tritt das Gesetz über digitale Dienste (engl. Digital Services Act oder DSA) in allen EU-Staaten in Kraft, welches die Pflichten digitaler Dienste regelt. Der Fokus liegt auf den großen Plattformen wie Google oder Meta. Um dem Gesetz nachzukommen, haben die Plattformen schon einige Änderungen im Laufe des Jahres 2023 umgesetzt. Zum Beispiel wurde das Targeting minderjähriger Nutzer:innen verboten oder stark eingeschränkt.
Gemäß der Richtlinien müssen Nutzer:innen proaktiv die Sammlung von personenbezogenen Informationen für Werbezwecke akzeptieren. Aus diesem Grund hat Meta ein Abo-Modell eingeführt: So mussten sich die User der Plattformen entscheiden, entweder proaktiv der Sammlung und Verwendung ihrer Daten für personalisierte Werbung zuzustimmen oder ein Abo abzuschließen, um die Plattformen werbefrei zu nutzen. Die monatlichen Kosten dafür betragen derzeit 10 bis 13 Euro. Laut der Umfrage von YouGov im Herbst 2023 (vor der Einführung des Abos) konnten nur 40 bzw. 43 Prozent der Befragten sich vorstellen, Geld für eine werbefreie Version von Facebook bzw. Instagram zu zahlen. Dabei wären nur 3 bis 4 Prozent bereit, 11 bis 15 Euro monatlich zu zahlen. Weitere Social-Media-Plattformen wie TikTok und Snapchat testen bereits ähnliche Abo-Angebote.
Wir können davon ausgehen, dass sich die Mehrheit der User weiterhin für die kostenlose Version der Social-Media-Plattformen entscheidet und die Zielgruppe, die mit Werbung erreicht werden kann, nur minimal kleiner wird. Ob noch strengere Richtlinien in Bezug auf personenbezogene Daten eingeführt werden, bleibt abzuwarten. Werbetreibende müssen auf die möglichen Änderungen vorbereitet sein und mehr Fokus auf Creatives, First-Party-Daten und breiteres Targeting setzen. Außerdem ist es wichtig, Werbeaktivitäten auf weiteren Social-Media-Kanälen zu testen, um bei plötzlichen Einschränkungen einer Plattform auf andere ausweichen zu können.
Head of Social Media Advertising