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Der Trend zum “Deinfluence”: Influencer:innen setzen auf Ehrlichkeit und Kritik

Publiziert
13. Juni 2024

Von Jessica Wernhart (Marketing Consultant)

In der dynamischen Welt der sozialen Medien zeichnet sich seit einiger Zeit ein neuer Trend ab: das “Deinfluencing”. Dieser Begriff beschreibt das Phänomen von Influencer:innen, die sich bewusst gegen die herkömmliche Produktwerbung entscheiden und stattdessen Produkte kritisch hinterfragen oder sogar von deren Kauf abraten¹. Was es damit auf sich hat und inwiefern sich Influencer-Marketing weiterhin für seine Betreiber:innen auszahlt, erfährst Du hier.

Ein prägnantes Beispiel dieser Bewegung sind Influencer:innen, die auf Plattformen wie TikTok ungeschönte Rezensionen teilen – basierend auf persönlichen Erfahrungen oder einschlägigen Recherchen. Leon, Betreiber des Kanals xskincare², verkörpert diesen Trend. Er bezahlt alle Produkte selbst, um das vollkommene Einkaufserlebnis zu erfahren und bewertet anschließend die Produkte ehrlich und authentisch auf seinen Kanälen, wie Instagram oder TikTok. Mit fast einer Million Anhänger:innen ist er ein Paradebeispiel für einen Deinfluencer und unterstreicht die Bedeutung authentischer Meinungen für die Konsument:innen.

Laut t3n³ hatte der Hashtag #deinfluence bis April 2023 etwa 510 Millionen Views. Diese Entwicklung markiert einen bedeutsamen Wandel im Influencer-Marketing, in dem Authentizität und Transparenz zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dabei geht es nicht nur um die einfache Vermarktung von Produkten, sondern vielmehr um einen informierten und kritischen Dialog mit der Zielgruppe. Durch die Deinfluence-Bewegung entsteht ein Raum für Verbraucherempowerment, in dem Konsument:innen besser informierte Entscheidungen treffen können und Unternehmen dazu angehalten werden, verantwortungsbewusstere Produkte anzubieten.

Viele Verbraucher:innen zeigen sich positiv gegenüber diesem Trend⁴, da er eine Gegenbewegung zu den übermäßig positiven und oft unehrlichen Produktbewertungen vieler Influencer:innen darstellt. Unternehmen versenden oft massenhaft PR-Pakete an Influencer:innen, in der Hoffnung auf positive Resonanz durch eine kostenfreie Erwähnung in der Story oder als Feed-Post. Doch immer mehr Verbraucher:innen und Influencer:innen werden skeptisch gegenüber solchen Taktiken, die dazu führen können, dass authentische Meinungen und Bewertungen unterdrückt werden. Dieser Skepsis folgend bestehen auch Forderungen nach klarer Kennzeichnung von bezahlten Kooperationen und transparentem Umgang mit Werbepartnerschaften. Der Deinfluencing-Trend setzt hier an, indem er eine Plattform für unvoreingenommene Meinungsäußerungen bietet und die Glaubwürdigkeit der Influencer:innen-Community stärken soll. Dabei geht es nicht nur um eine Kritik an bestimmten Produkten, sondern auch um eine grundsätzliche Reflektion über die Rolle der Influencer:innen im digitalen Marketing und deren Verantwortung gegenüber ihren Follower:innen.

Für viele Influencer:innen steht die Qualität der Produkte und die Zufriedenheit ihrer Community immer mehr im Vordergrund. Sie sind bereit, Produkte unabhängig von PR-Paketen zu testen und ihre ehrlichen Meinungen zu teilen.

Diese Transparenz und Authentizität sind es, die sie zu vertrauenswürdigen Quellen machen und den Trend zum Deinfluencing vorantreiben. Dabei geht es nicht nur darum, ihren Follower:innen eine ehrliche Einschätzung zu bieten, sondern auch darum, eine langfristige Beziehung zu ihrer Community aufzubauen, die auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit basiert. Influencer:innen, die sich diesem Trend anschließen, können nicht nur ihre loyalen Anhänger:innen, sondern auch potenzielle Partnerunternehmen überzeugen, die Wert auf glaubwürdiges und authentisches Marketing legen. Diese Entwicklung markiert einen Paradigmenwechsel im Influencer-Marketing, bei dem die Stimme der Community und die Integrität der Influencer:innen eine zentrale Rolle spielen. 

In einer Welt, in der Werbung und Influencer-Marketing oft von Inszenierung und Manipulation geprägt sind, ist die Deinfluencing-Bewegung ein erfrischender Gegenentwurf. Sie zeigt, dass Ehrlichkeit und Authentizität auch in der Welt der sozialen Medien einen hohen Stellenwert haben (können) und von Verbraucher:innen zunehmend geschätzt werden. Dieser Gegenentwurf zum typischen Marketingansatz unterstreicht die Bedeutung einer offenen und ehrlichen Kommunikation zwischen Influencer:innen und ihren Follower:innen. Durch den Verzicht auf irreführende oder übertriebene Produktpräsentationen entsteht Raum für einen authentischen Dialog, der auf gegenseitigem Vertrauen basiert. Diese Entwicklung ermutigt nicht nur andere Influencer:innen, ihre Meinungen frei und unabhängig zu äußern, sondern fordert auch Unternehmen heraus, ihre Produkte und Marketingstrategien kritisch zu überdenken und auf eine transparente und authentische Kommunikation zu setzen. Letztendlich profitieren davon sowohl Verbraucher:innen, die auf verlässliche Informationen setzen können, als auch Unternehmen, die auf langfristige Kundenbindung und Glaubwürdigkeit setzen möchten.

Learnings

Authentizität über Inszenierung: Der Trend zum “Deinfluence” unterstreicht die wachsende Bedeutung von Authentizität und Ehrlichkeit in der Influencer-Welt. Anstatt Produkte unkritisch zu bewerben, setzen Influencer:innen vermehrt auf Transparenz und geben ihre ehrlichen Meinungen wieder.⁵

Verbrauchermacht: Die Deinfluencing-Bewegung wird nicht nur von Influencer:innen getragen, sondern auch von Verbraucher:innen, die ihre eigenen Erfahrungen und Recherchen teilen. Dies zeigt die wachsende Macht der Verbraucher:innen in der sozialen Medienlandschaft.

Vertrauensaufbau: Influencer:innen, die sich dem Trend zum Deinfluence anschließen, bauen langfristig ein stärkeres Vertrauen zu ihrer Community auf. Durch die Bereitschaft, auch negative Aspekte von Produkten anzusprechen, belegen sie ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit.

Kritische Reflexion: Verbraucher:innen sind zunehmend dazu angehalten, kritisch hinter die Kulissen des Influencer-Marketings zu blicken und nicht alles unkritisch zu akzeptieren. Eigenständige Recherche und die Fähigkeit, zwischen authentischen Empfehlungen und inszenierter Werbung zu unterscheiden, sind entscheidend.

Herausforderung für Unternehmen: Unternehmen werden herausgefordert, ihre Produkte und Marketingstrategien kritisch zu überdenken und auf eine transparente und authentische Kommunikation zu setzen. Langfristige Kundenbindung und Glaubwürdigkeit werden dabei als wichtige Ziele angesehen.

Hat Deinfluencing Zukunft?

Der Trend Deinfluence hat sich als mehr als nur eine Gegenbewegung etabliert. Es ist ein Aufruf zu bewussterem Konsum und einer authentischeren Beziehung zwischen Influencer:innen und ihrer Community. Wenn es dazu führt, dass wir unsere Kaufentscheidungen überdenken und sowohl die Umwelt als auch unser Budget schonen, dann hat der Trend nicht nur eine Zukunft, sondern könnte auch den Weg für eine neue Ära des Influencer-Marketings ebnen, in der Transparenz und Verantwortungsbewusstsein im Vordergrund stehen.

Let’s talk!
Daniela Pastere
Head of Social Media Advertising

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